Williams im Aufwind: Höhere Qualitätsstandards schlagen durch

Williams ist neben Sauber die zweite Uberraschung aus dem Mittelfeld. Die beiden Teams haben sich von ihren alten Rivalen Force India und ToroRosso abgesetzt und setzen sogar Mercedes und Lotus unter Druck. Bei Williams liegt viel an den neuen Standards im Technikburo.

Der Williams FW34 ist die Uberraschung der Saison. Ware er mit besseren Fahrern besetzt, konnte der Traditionsrennstall aus Grove sogar wieder von einem Podestplatz traumen. Pastor Maldonado warf in Melbourne in der letzten Runde ohne Not sichere acht Punkte weg. Bruno Senna hatte in Sepang noch weiter vorne landen konnen, hatte er sich nicht in der ersten und der siebten Runde Runde gedreht. Das warf ihn an die letzte Stelle zuruck. Danach zeigte der Brasilianer eine starke Aufholjagd, die ihn bis auf Platz sechs nach vorne brachte. Dafur gibt es zwei Grunde: Senna wechselte jeweils als einer der ersten von Regenreifen auf Intermedates und von Intermediates auf Slicks. Und er hatte ein exzellentes Auto.
Auf Slicks fuhr der Brasilianer die funftschnellste Runde des Rennens. Auf Intermediates die elftbeste. Der Williams ermoglichte seinen Fahrern konstant schnelle Runden, was auch Pastor Maldonado nach einem Blackout in der Boxengasse, der ihn bis auf Rang 17 zuruckwarf, wieder in die Punkterange brachte, bis ihm ein Motorschaden kurz vor Schluss einen WM-Punkt raubte.
Neues Heck reduziert Reifenverschlei?
Das Auto sieht gar nicht einmal soviel anders aus als der Vorganger, so dass man sich die Frage stellt, wo das Geheimnis des Biedermanns steckt. Mit Ausnahme seines ultraflachen Getriebes, das eine optimale Anstromung des unteren Heckflugelelements ermoglicht, hat der Williams nichts, was ihn von seinen Konkurrenzprodukten dramatisch abhebt.
Auffallig ist hochstens noch der Frontflugel. Kein anderer Flugel weist soviele Elemente auf, kein anderer hat ein so aufwendig geformtes Hauptblatt mit zwei tunnelformigen Kanalen auf der Unterseite. Ansonsten kommt der FW34 ganz konservativ daher. Der Auspuff tritt an der Motorverkleidung aus und zielt nach innen auf das untere Heckflugelelement. Die Kuhlschachte sind wie bei allen Autos mit Renault-Motoren relativ gro?. Die Stufe im Chassis ist genauso abgehackt und hasslich wie beim Ferrari F2012.
Der gro?e Fortschritt beim neuen Williams ist unsichtbar. Das Auto folgt dem Aerodynamikprinzip des Vorgangers, wurde aber von seinen Schwachstellen befreit. Eine modifizierte Anlenkung der Hinterachse verleiht dem Heck mehr Steifigkeit. Die Antriebswellen verlaufen nicht mehr ganz so stark angewinkelt zwischen Differential und Radtrager. Damit gibt es weniger Reibungsverluste. Die hinteren Querlenker der Hinterachse lenken nicht mehr an der Heckflugelstutze an, sondern an einem Rahmen uber dem Getriebe. Dadurch kann Williams auf eine zentrale Heckflugelaufhangung verzichten. Der Flugel stutzt sich auf die Endplatten. Die hohere Verwindungssteifigkeit im Heck raumte mit dem gro?ten Problem des Vorjahres auf. Der Reifenverschlei? konnte deutlich reduziert werden.
Hoher Qualitatsstandards und starkerer Renault-Motor
Der Wechsel vom Cosworth-Motor zu Renault-Power hat ebenfalls zur Formsteigerung beigetragen. Das Hauptmanko des Cosworth V8 war seine schlechte Fahrbarkeit. Rubens Barrichello hatte sie vom ersten Tag an angemahnt. Cosworth fehlen das Geld und das Personal zum Feintuning der Motorsteuerung. Das resultierte in lausigen Starts, Zeitverlust in langsamen Kurven und einer schlechteren Nutzung der Auspuffgase fur die Aerodynamik. Damit ist jetzt Schluss. Die bessere Laufkultur des Motors schafft Vertrauen beim Fahrer. Pech fur Barrichello, dass er nicht mehr an Bord ist.
Der neue Technikchef Mike Coughlan raumte im Konstruktionsburo kraftig auf. Er hat mit der gleichen Ma?nahme Rundenzeit gefunden, die auch Lotus wieder konkurrenzfahig machte. Das Geheimnis ist die Qualitat der Verarbeitung der aerodynamischen Bauteile. Coughlan hat bei McLaren gelernt, auf welchem Niveau die Topteams operieren. Bei Williams galt bis zum letzten Jahr fur Toleranzen zwischen den einzelnen Bauteilen ein Maximalma? von 0,8 Millimeter. Coughlan erklarte seinen Ingenieuren, dass er diesen Wert auf Null senken will, gab ihnen aber im ersten Jahr seiner Amtszeit noch 0,1 Millimeter Spielraum. Das Auto ist innen viel sauberer verarbeitet als der Vorganger. Weniger Ecken, weniger Kanten, weniger Blockaden fur den Luftstrom durch die Kuhler. Ein Red Bull-Mechaniker, der die Fronten wechselte, erzahlt, dass der Motor im Williams sogar noch schoner und sauberer gekapselt ist als im Red Bull.
Kritiker behaupten, dass Barrichello mit diesem Auto mindestens ein Mal schon auf das Podest gefahren ware. Pastor Maldonado und Bruno Senna landen zu oft neben der Strecke. Im Training wie im Rennen. Fur Williams konnte es zum Boomerang werden, dass man auf die Mitgift seiner Fahrer angewiesen ist. Das Auto jedenfalls scheint genug Potenzial zu haben, damit um den funften Platz in der Konstrukteurs-WM zu kampfen.